Bericht Hochschule in Entwicklung – Stuttgart

Im November trafen sich in Stuttgart ca. 150 Teilnehmer, um in einen Erfahrungsaustausch über mögliche Formen der Hochschularbeit zu kommen. In den Arbeitsgruppen wurden Zugänge zu den Situation der 11. Klassenstunde (die Seele findet sich im Tempel) beschritten. Dabei zeigten sich zwei verschiedene Zugangstypen:

  • Zugang am Besinnen der Bedeutungshorizonte des Mantram-Textes
  • Zugang durch schauspielerisches Einnehmen der Positionen der verschiedenen (hierarchischen) Sprecher

Der Zugang durch schauspielerisches Einnehmen der Positionen – manche würden vielleicht von „Aufstellungen“ sprechen – war für mich neu, wes­halb ich an der Arbeit von Anton Kimpfler und von Stefan Hartmann teilnahm. Wenn ich hier von „schauspielerisch“ schreibe, dann mit der Betonung auf „Schau“. „Spielerisch“ eher im kindlichen Sinne: Kinder nehmen ihr Spiel ernst, wissen aber, dass es Spiel ist. So auch hier: Im Wissen, dass Sprache und Haltung weniger als nur anfänglich ist, wagten wir uns als beispielsweise Hierarchien aufzustellen, um zu beobachten, was wohl geschehe.

  • Dieses Eintreten in eine „Rolle“ ermöglichte Perspektive: In welche Richtung eine eigene Entwicklung gefordert wird, wenn ich das, was ich hier ahne, zu realisieren suche.
  • Die geistige Welt ist erheblich grosszügiger, als ich erwarten würde: Selbst einen solchen in meiner Bewertung ja geradezu stümperhaften Versuch unterstützt sie nach Möglichkeit. (Nach Möglichkeit: Die Unterstützung würde wohl viel weitreichender sein, wenn ich nicht solch ein Anfänger wäre, der für weitergehende Unterstützung bisher keinen Ansatzpunkt bieten kann.)

Neben solchen Arbeitsgruppen gab es auch Plena, eingeleitet durch Erfahrungschilderungen im Umgang mit den Mantren und künstlerische Herausforderungen in Eurythmie und Tonkunst. Beispielsweise einen Ton zu hören, zu singen, zu summen und schliesslich (mit dirigiertem Crescendo und Diminuendo) zu „stummen“.

Bei den verschiedenen Schilderungen zu den Situationsmantren möchte ich den Beitrag von Elisabeth Wutte erwähnen: Im Wissen um ihre eigene schwere Erkrankung (sie starb sechs Wochen später am 27.12.23) schilderte sie die verschiedenen Perspektiven auf eine Situation am Beispiel einer Hochzeit: Den Stolz des Brautvaters, die Bangigkeit der Brautleute, die Unsicherheit der Mutter im Verhältnis zur neuen Schwiegertochter, das Vertrauen der Trauzeugen in die gemeinsame Zukunft. Angesichts ihres Schwellenübertrittes frage ich mich, ob nicht auch „Hoch-zeit“ selbst noch ganz andere Perspektiven eröffnet….

Den Rahmen der Zusammenkunft bildeten die Besinnung auf die erste (Beginn) und die zweite und dritte Tafel (Schluss). Die am Schluss noch zusätzlich angehängten Siegel und Zeichen fielen aus diesem Rahmen und erzeugten bei Einigen Unmut.

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Diese Zusammenkunft – nach mehreren Treffen in Hamburg, nun in Stuttgart – zeigte zwei methodisch sehr unterschiedliche Herangehensweisen (Wort-vermittelt vs. Aufstellung u.ä.). Beide Seiten haben sich früher gegenseitig abgewertet: Während diesen vorgeworfen wurde: „Ihr seid total naiv; Ihr habt ja keine Ahnung, was Ihr da eigentlich macht“ konterten jene: „Und Ihr kommt mit Euren Begriffen immer nur bis zur Beobachtung des Denkens – und dann ist Schluss: Als ob Ihr Euch vor wirklicher Erfahrung schützen wolltet!“ Um so erfreulicher war, dass sich beide Sei­ten immerhin in einer Art Koexistenz ertrugen. Allerdings waren wohl so manche der „Wort-Vermittelten“ gar nicht erst gekommen.

Mir wurde deutlich, dass wir als jeweils „Lahme“ oder „Blinde“ aufeinander angewiesen sind. Erfahrungsfreude braucht begriffliche Klarheit und Klarheit Risikofreudigkeit. War nicht Anthroposophie bisher eher aristotelisch geprägt, ja teilweise beherrscht? Sollten dann die Platoniker jetzt nicht die gleichen Fehler begehen und nun ihre Art nicht für „allein selig machend“ halten? Um dem vorzubeugen, möchte ich für die Planung einer nächsten Zusammenkunft beliebt machen, dass dieser Austausch stärker ins Zentrum der weiteren Entwicklung gerückt werden kann.

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